19. Mai 2023

Die geflohene Geschichte - Kate Kowalski

 ★★★

Heyne, 416 Seiten


Kurzbeschreibung
Worte haben Macht, das weiß jeder in der Schriftstellerstadt Kapitolo. Denn aus Worten werden Figuren und Figuren werden lebendig. Deshalb muss jeder, der des Schreibens mächtig ist, seine Fingerabdrücke und eine Speichelprobe abgeben – sollte eine Figur aus ihrer Geschichte entkommen, können die Behörden so den Schöpfer der Figur identifizieren, der diese dann in die Geschichte zurückschreiben muss. Die leidenschaftliche Fantasy-Autorin Kate hatte bisher noch nie Probleme mit ihren Figuren. Umso erstaunter ist sie, als sie eines Nachts von der Polizei aus dem Bett geklingelt wird: Eine ihrer Figuren soll einen Mord begangen haben. Für Kate beginnt ein Abenteuer, in dem sie nicht nur ihre Figur finden und ihren guten Ruf retten muss, sondern auch einem Geheimnis aus der Vergangenheit auf die Spur kommt ...


Meine Meinung
Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich mich lange vor diesem Buch gedrückt hatte. Denn nachdem ich es begeistert bestellt und angefangen hatte zu lesen, bekam mein Enthusiasmus schnell einen Dämpfer, weil das Buch dann doch komplett anders war, als ich es erwartet hatte. Ich legte es erst einmal wieder zur Seite, bis ich mich aufraffen konnte es wieder zur Hand zu nehmen und endlich fertig zu lesen. Einige Punkte haben mich dann doch positiv überrascht, andere jedoch leider auch enttäuscht oder eher verärgert. 

Die Idee hinter dem Buch ist zweifellos sehr originell. Die Autorin hat um die Stadt Kapitolo eine durchdachte fiktive Welt geschaffen. Die gesamte Atmosphäre, von dem einfühlsamen Vorwort bis hin zur Danksagung, sorgt für eine allumfassende Illusion, in die man komplett eintaucht. Man fragt sich unweigerlich, was wirklich ist und was nicht. Besonders beeindruckten mich fantasievolle Details wie die „Figurenhaftpflichtversicherung für Minderjährige“, solche kleinen kreativen Einfälle haben mir großen Spaß gemacht.

Als Kritikpunkt muss ich jedoch anmerken, wie die Verteilung der handlungstechnisch wichtigen Information auf den Roman verteilt wurden. Was mich am meisten daran störte war die Tatsache, dass der Leser unglaublich lange im Unklaren gelassen wurde. Viele wichtige Informationen wurden bewusst zurückgehalten, was anfangs zwar spannend wirkte, aber nach einer Weile einfach nur nervig war. Schon ganz am Anfang wurde von „Rosalie“ in bedeutungsschwerem Tonfall gesprochen, ohne dass wir wussten, wer sie überhaupt ist und bis man auch nur die ersten Hinweise zu ihr erfährt, sollten noch viele, viele Seiten vergehen. Bis dahin hatte man schon wieder vergessen, was 200 Seiten zuvor von ihr geschrieben wurde. Dadurch wurde es mir als Leserin unmöglich gemacht in dem Krimi-Szenario aktiv mitzurätseln und zu spekulieren. Wir waren stets der Protagonistin weit unterlegen, und das führte zu einem frustrierenden und unnötigen Gefühl. Es wäre genauso möglich gewesen, die ganze Geschichte um „Rosalie“ viel früher zu enthüllen, anstatt sich hunderte Seiten lang um den Kern herumzudrücken. Das Ende wirkte daraufhin dann ebenfalls etwas merkwürdig und ich fragte mich: Was hat die Protagonistin nun tatsächlich gelernt? Was war der konkrete Wendepunkt, der zu diesem Ergebnis geführt hat? Nach einem so langen Krimi-Weg erschien es mir einfach nicht schlüssig genug. 

Alles in allem muss ich natürlich sagen, dass die Idee hinter dem Buch großartig war und das Setting spannend gestaltet wurde. Dennoch blieb die Umsetzung leider an einigen Stellen mangelhaft. Es fehlte an einer geschickten Handhabung der Konstruktion, und das Unwissen des Lesers wurde zu lange ausgereizt. Trotz dieser Schwächen ist das Buch ein faszinierendes Abenteuer, das die Leserinnen und Leser mit auf eine aufregende Reise nimmt.


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